Wir leben in einer sehr speziellen Zeit, wenn es um Kommunikation geht. Die Masken haben lange Zeit unsere Zustände versteckt, die sich oft um den Mund herum zeigen. Erst wenn die Augen gelacht oder geweint haben, konnten wir sehen, wie die Emotionen sind. Wir haben uns angewöhnt, es uns anders zu zeigen. Das hat Spuren hinterlassen. 

Die Masken verschwinden zum Glück (so finde ich) wieder aus dem Gesamtbild der Menschenmengen. Ich finde es sehr spannend, dass wir durch dieses Virus als Gesellschaft auf den Wellencharakter des Lebens aufmerksam geworden sind, denn diese Bewegung ist ein Markenzeichen der Lebendigkeit. Alle Zyklen auf unserer Erde sind wellenförmig. Es gibt auch Wellen, die eher wie Spitzen aussehen oder langsam ansteigen und flach abfallen. Diese Auf- und Abbewegung ist eine sehr geeignete Darstellung von Lebendigkeit. Wenn wir Spiralen von der Seite anschauen und auf zwei Dimensionen herunterbrechen, ergibt das auch eine Wellenform. 

Ich komme vom Thema ab 🙂 und auch doch nicht. Der Grund dieses Blogs ist mein Wunsch eine Vorgehensweise des Kommunizierens in schwierigen Situationen mit dir zu teilen, die für mich seit mehr als 10 Jahren super funktioniert. Sie ist anwendbar, wenn ich mit mir im Zweifel bin und auch wenn ich mit anderen einen Konflikt habe – Voraussetzung ist, dass die betroffenen Parteien bereit sind, einander zuzuhören. Wenn das nicht der Fall ist, kann ich es für mich machen und habe danach eine klarere Haltung zu meinem Gegenüber, weil ich meine Position kenne. 

Es sind die vier Schritte aus der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg.

Damit es funktioniert, sollten die Schritte klar voneinander getrennt werden und wenn mehrere Menschen beteiligt sind, sollte zuerst eine Runde gemacht werden mit dem 1. Schritt, dann sagen alle etwas zum 2., dann 3. etc. Wichtig ist dabei, dass jeder seine Redezeit bekommt und nicht unterbrochen wird. Alle anderen hören zu. Es wird nicht kommentiert, weil jeder das Recht hat auf seine Wahrnehmung. 
Man spricht von sich, denn man hat ja nur die eigene Sichtweise auf Nummer sicher. Ziel ist es, dass jeder seinen Platz bekommt und angehört wird mit seiner Wahrnehmung und Sichtweise. Eine wichtige Grundvoraussetzung dafür ist die Akzeptanz der Tatsache, dass wir voneinander nicht wissen können, was wir erleben. Also braucht es Zeit und mindestens den Willen, einander zu zu hören. Es ist auch wichtig, dass man das, was der oder die andere sagt, als sein Erleben stehen lässt und bei sich bleibt. 

  1. Schritt: Was ist geschehen? 
  2. Schritt: Was habe ich dabei gefühlt? 
  3. Schritt: Welche Bedürfnisse wurden nicht wahr genommen und haben darum meine angespannte Reaktion hervorgerufen? 
  4. Schritt: Was würde ich mir jetzt wünschen?

Ich erläutere diese vier Schritte noch ein bisschen, denn jeder beinhaltet sehr viel und braucht etwas Erklärung. 

  1. Hier geht es um Fakten. Möglichst klar erzählen, was vorgefallen ist aus der persönlichen Warte, ohne Gefühle und Reaktionen einzubeziehen. Hier können die Versionen schon auseinander gehen, denn das Wahrnehmungsspektrum von jedem Menschen ist anders. Dies ist nicht zu beurteilen, nur mit Staunen fest zu stellen. Die weiteren Punkte bringen dazu noch mehr hervor. Es kann sein, dass die Loslösung der Fakten nicht so einfach fällt. Dann ist es gut, diese Person achtsam darauf hin zu weisen, dass sie bei den Fakten bleibt.  
  2. Jetzt ist Platz für die Emotionen: Wut, Trauer, Freude, Liebe, Eifersucht, Angst….. 
  3. Dieser Schritt ist nicht zwingend, kann aber sehr lehrreich sein. Es gibt eine Bedürfnistabelle auf dem Internet, wenn es schwer fällt, diese zu benennen. Zwischenmenschliche Grundbedürfnisse sind Liebe, Anerkennung (wahr genommen werden), Geborgenheit, Sicherheit, Zugehörigkeit etc.
    Wir stellen uns selten die Frage einfach so, welche Bedürfnisse habe ich und wie kann ich ihnen bewusst nachkommen. Folge davon kann sein, dass die anderen diese befriedigen sollen und wenn das nicht geschieht, gibt es Konflikte. 
  4. Dieser Schritt dient zu aller erst als Hinweis, selber zu verstehen und nicht als ein Appell an das Gegenüber. Zusätzlich kann dann in einer nächsten ähnlichen Situation eventuell klarer sein, was zur Konfliktvermeidung gemacht werden kann. 

Erst wenn man es anwendet, kommen alle Vorteile von diesem Vorgehen zu Tage. Der Nutzen ist gross. Versuch es einmal mit einer Situation, die dir gerade einfällt und für dich schwierig war. Du wirst staunen! 

Ich habe diesen Weg mehrere Male auch in Gruppen angewandt und das Resultat war jedes Mal sehr erstaunlich. Es brauchte in der Folge kein Konfliktmanagement mehr im klassischen Sinn. Das Verständnis füreinander wuchs im Lauf des Durchgangs und die Lösungen wurden benannt in den Wünschen. Jeder fühlte sich befreit und frei zu tun, was er für richtig halten würde bei einer nächsten solchen Situation. Und alle haben etwas gelernt. Voneinander, im Zuhören. Ohne abgewertet worden zu sein oder sich als fehlerhaft vor zu kommen. Es braucht kein langes Gespräch und grosse Kenntnisse. 

Am eindrücklichsten war eine Gruppe von Syrern, die 3 Wochen zuvor aus ihrem Land in einem Flüchtlingsheim angekommen waren. Die Jungs haben mit einem Erzieher Fussball gespielt und die Regeln wurden nicht eingehalten. Es gab gewalttätige Reaktionen von einem Kind, das eine ebensolche Reaktion bei einem anderen ausgelöst hatte. Die Gruppe kam voller Emotionen und aufgewühlt zu den Eltern, mit denen ich gerade am Arbeiten war. Ich habe alle Beteiligten mit ihren Vätern, die sofort laut und ungehalten geworden waren und die Verteidigung ihrer Kinder aufnahmen, in eine Runde gesetzt und erklärt, was wir machen werden. Man muss sich vorstellen, das waren ca. 7 Jungs und deren Väter, sowie ein Erzieher und ein Interpret für die Übersetzung. Also eine grosse Runde. Und ich die einzige Frau. In dieser Kultur nicht ohne…

Nachdem ich die Regeln bekannt gegeben hatte und gut darauf achtete, dass sie eingehalten wurden, musste ich nicht mehr viel machen. Die Beteiligten machten die ganze Arbeit. Am Schluss sagte ein Vater in der Wunschrunde; „Wir sind aus einem Land gekommen wo Krieg ist in ein Land, in dem Frieden herrscht. Wir werden doch jetzt nicht anfangen untereinander Krieg zu machen, oder?“ Alle waren sich einig und es wurde mit vielen Emotionen Frieden geschlossen.